SRH Hochschule Heidelberg
Wissen

„Professionalität im Job fängt an der Uni an“:

Wirtschaftsprofessor Frank Gebert über Erfolgsfaktoren im Vertrieb, die Verknüpfung von Theorie und Praxis sowie die Eigenschaften von sehr guten Studierenden

Strategien und Erfolgsfaktoren für den Vertrieb, wertvolle Erfahrungen und Lerneffekte aus der Praxis: Anlässlich des Erscheinens des Vertriebskompendiums veranstaltete Prof. Dr. Frank Gebert, mit Markus Milz Herausgeber des Vertriebswerkes, im Juli 2022 eine Podiumsdiskussion mit zwei Autoren an der SRH Hochschule Heidelberg, die vom Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW) unterstützt worden ist. Das Vertriebskompendium enthält das geballte Wissen von hochkarätigen Entscheidern in international erfolgreichen Unternehmen und ist sowohl für Studierende als auch für Verantwortungsträger in Unternehmen jeder Branche ein wertvoller Ratgeber in allen Bereichen.

BWL-Student Max Rudolf gibt Einblick in die Diskussionsveranstaltung des Vertriebskompendiums und hat mit Prof. Dr. Gebert über seine Reise gesprochen und ihn gefragt, worauf es in seiner Branche ankommt und was einen guten Studierenden auszeichnet.

Max: Prof. Dr. Gebert, ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Um gleich mit der ersten Frage einzusteigen: Warum haben Sie diese Podiumsdiskussion für das Vertriebskompendium ins Leben gerufen? Was war Ihr Antrieb und letztendlich auch Ihr Ziel?

Prof. Dr. Gebert: Das Ziel der Podiumsdiskussion war der Gedankenaustausch zwischen Studierenden und erfolgreichen Führungskräften aus der Wirtschaft. Hierbei können die langjährigen Erfahrungen der Unternehmensmanager die eher konzeptionell angelegten Kenntnisse der Studierenden komplementär anreichern. Außerdem hat die Diskussionsveranstaltung dank der wertvollen Unterstützung des BVMW die Möglichkeit für die Studierenden eröffnet, persönlich Kontakte zu Managern und deren Unternehmen zu knüpfen.

Oft ist es so, dass die Theorie, die während eines Studiums vermittelt wird, sehr zäh und dickflüssig ist. Die Praxis ist zwar in den Grundzügen sehr ähnlich, aber unterscheidet sich doch sehr stark von der Theorie. Ich habe deshalb die Theorie aus der Praxis entwickelt, um einen noch stärkeren Bezug zwischen Theorie und Praxis herzustellen.

Darüber hinaus wollte ich auf folgende Thematik aufmerksam machen: Viele Unternehmen gehen im Wettbewerb unter. Deshalb muss sich jedes Unternehmen differenzieren, um langfristig bestehen zu können. Auf eben jene Problematik wollte ich bewusst den Fokus des Kompendiums setzen, damit jedem klar wird, welche Herausforderungen gemeistert werden müssen.

Prof. Dr. Gebert, diese Frage hören Sie vermutlich nicht zum ersten Mal: Was hat Sie beeinflusst in Richtung Vertrieb zu gehen?

Ich war jahrzehntelang in Unternehmen unterwegs, eine lange Zeit als Vorsitzender von Aufsichtsrats- und Vorstandsgremien international marktführender Konzerne tätig. Aus dieser Erfahrung lässt sich sagen, dass die entscheidenden Weichenstellungen für Wertschöpfung und Unternehmenserfolg am Markt vorzunehmen sind: Wertschöpfungssteigerndes Wachstum ist der entscheidende unternehmerische Schlüsselfaktor, dieser ist am Markt durchzusetzen gegen den internationalen Wettbewerb. Und hierbei steht der Vertrieb und das absatzstrategische Instrumentarium immer im Fokus.

Was waren Ihre bisher größten Erfolge in Wirtschaftsunternehmen? Gibt es zwischen diesen Gemeinsamkeiten?

Erfolge in einem Unternehmen sind am Ende immer das Ergebnis des zielorientierten Zusammenwirkens von Leistungsträgern auf unterschiedlichen Unternehmensebenen. Der größte Erfolg war sicherlich der erfolgreiche Turn Around eines Unternehmens, das zu meinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender nach sechs Jahren kontinuierlicher Verluste zwei Wochen vor der Insolvenz stand:  Wir konnten den Konzern nach zwei Jahren erstmals nach seinem Börsengang wieder in die schwarzen Zahlen bringen und danach zum zweitgrößten Wettbewerbe der Branche in Europa transformieren. Auch hierbei war neben der Optimierung von Kostenstrukturen und des Beteiligungsportfolios der Vertrieb eine erfolgsentscheidende Stellschraube: Der Absatz des Unternehmens war stark abgesunken und selbst Preissenkungen konnten nichts mehr bewirken. Wir konnten diesen Trend in nur einem Jahr in eine überdurchschnittliche Umsatz- und Erlösentwicklung umkehren.

Ein Schwerpunkt der Neuausrichtung des Unternehmens am Markt lag auf dem Außendienst, da dieser in direkter Interaktion mit den Kunden Absatz und Umsatz unmittelbar beeinflussen kann. Wir hatten ein quantifiziertes Zielsystem mit klar definierten Wachstumszielen für jedes Außendienstgebiet erarbeitet, diese haben wir mit jedem Außendienstrepräsentanten persönlich diskutiert und gemeinsam erfolgsführende Optimierungsstrategien für jedes Gebiet entwickelt. Diese wurden monatlich nachgehalten, der Erreichungsgrad besprochen und weiterführende Maßnahmen abgeleitet.

Auffallend war, dass die Lösungen und Probleme alle miteinander zusammenhingen. Es hat viel Zeit und Kraft gekostet, die Gespräche mit den Vertriebsmitarbeitern und -führungskräften zu führen, vor allem in die Tiefe zu gehen, also in die Problematik einzudringen und diese auch zu beheben. Hierbei hat sich eine wichtige Erkenntnis wieder von Neuem bestätigt: Jede gemessene Zahl muss qualifiziert und kontinuierlich nachgehalten werden, so dass faktenbasierte Diskussionen über eine stets weiter zu optimierende Marktbearbeitung motivierend geführt und in weiterführende Maßnahmen, Gebiet für Gebiet, eingebracht werden können.

Die leistungsstärksten 30% der Außendienstler erzielen die vierfache Wertschöpfung als die leistungsschwächsten 30% ; wenn es gelingt, diese Leistungsspreizung zu verkleinern, in dem die schwächeren Gebiete auf nur den Leistungsdurchschnitt der Gesamtorganisation gebracht werden, realisiert das Unternehmen erhebliche Umsatzpotenziale.

Was ist aus Ihrer Sicht der Hauptgrund, warum viele Manager scheitern und andere erfolgreich sind?

Harte Arbeit, Liebe zum Detail, analytische und kreative Kompetenz sowie Respekt und Bescheidenheit. Hinter jedem Erfolg stecken viele sehr lange Arbeitstage. Man muss bereit sein, zwischen 16 und 18 Stunden jeden Tag, sieben Tage in der Woche zu arbeiten, um langfristige Erfolge realisieren zu können. Jedes Detail eines Handlungsfeldes, konzeptionell oder die Umsetzung betreffend, kann wichtig sein, denn im Detail entscheidet sich das Ergebnis; der Unterschied: Lösung zur Problembehebung oder eine exzellente Problemlösung, die Chancen und Mehrwert eröffnet. Man muss bereit sein, für die beste Lösung zu kämpfen, vielleicht kommt eine 150-prozentige Lösung heraus.

Kämpfen? Was meinen Sie damit?

Den unbedingten Willen zu Perfektion und Erfolg.

Hinter jeder Lösung verbirgt sich bekanntlich ein Problem. Wie gehen Sie mit Problemen um, die Sie nicht auf Anhieb lösen können?

Wenn ich ein Problem habe, welches ich nicht auf Anhieb lösen kann oder nicht verstehe, dann ist zunächst zu ergründen, worin das Problem tatsächlich besteht. Nach dem analytischen Aufarbeiten muss geklärt werden: Wie komme ich an das Problem? Der nächste Schritt heißt dann, so einfach wie es klingt: nachdenken und machen. Analytik, Logik und der Wille zur Lösung sind die Schlüssel.

Was sind für Sie die entscheidenden Eigenschaften, die einen sehr guten Studierenden ausmachen?

Derzeit schreibe ich ein Buch, in der u.a. auch erfolgsführende Eigenschaften im Vertrieb angesprochen werden. Hieraus abgeleitet könnte ich sechs Eigenschaften rausziehen, die einen exzellenten Studierenden und auch später Manager ausmachen: Entschlossenheit, Hingabe, Authentizität, Ehrgeiz, Empathie und erarbeitetes Glück. Wenn man über diese Eigenschaften verfügt und ebenso den Willen hat, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln, dann steht einem die Welt offen.

Angenommen, Sie könnten zu Ihrem jüngeren Ich – im Studierendenalter - sprechen. Was würden Sie sich selbst raten?

In alle Vorlesungen zu gehen und diese nachzuarbeiten, in Maßen, damit nicht alles vom Studium verschluckt wird.  In meiner Zeit als Student hatte ich diese Motivation nicht immer; ich war sportlich sehr aktiv und habe entsprechende Prioritäten gesetzt. Jedoch holen die Wissenslücken aus versäumten Vorlesungen einen immer wieder an irgendeiner Stelle im Job ein, und das ist nicht gerade förderlich.

Um später ein guter Manager bzw. eine gute Führungskraft zu werden, wo fängt man am besten an?

Professionalität im Job fängt an der Uni an. Ein Wertekodex zum Anfassen: Respekt, Freundlichkeit, Pünktlichkeit und Professionalität in der Arbeit, siehe oben. Im Prinzip die alltäglichen Umgangsformen. Wenn man diese lebt, vereinfacht das den beruflichen und persönlichen Erfolg.

Vielen Dank für das Gespräch, aus dem ich viel für meine berufliche Entwicklung mitnehme!

BWL-Student Max Rudolf schreibt für den Blog der SRH Hochschule Heidelberg.
BWL-Student Max Rudolf schreibt für den Blog der Hochschule.
Prof. Dr. Frank Gebert ist Mitherausgeber des Vertriebskompendiums
Prof. Dr. Frank Gebert ist Wirtschaftsprofessor an der SRH Hochschule Heidelberg und Herausgeber des Fachbuches "Das Vertriebskompendium".
Bei der Informationsveranstaltung zum Vertriebskompendium im Juli 2022 diskutierten Branchenvertreter:innen über Strategien und Erfolgsfaktoren für den Vertrieb.
Bei der Veranstaltung zum Vertriebskompendium diskutierten Expert:innen über Strategien und Erfolgsfaktoren der Vertriebsbranche.
Das Fachbuch "Das Vertriebskompendium" der Herausgeber Markus Milz und Prof. Dr. Frank Gebert ist bei Haufe erschienen.
Das Vertriebs- kompendium, herausgegeben von Markus Milz und Prof. Dr. Frank Gebert, ist bei Haufe erschienen.