SRH Hochschule Heidelberg
Menschen

Von Helikoptereltern und Trainer:innen

Svenja Gimbel, wissenschaftliche Mitarbeiterin an unserer Fakultät für Angewandte Psychologie, gibt Tipps, wie die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Sporttrainer:innen einfacher gestaltet werden kann.

Der größte Kampf seit der Jahrhundertwende: überbehütende Helikoptereltern gegen die Trainer:innen ihres Kindes. Beide mit dem Ziel, das Kind bestmöglich zu fördern, beide hoch motiviert, beide ganz klar bei der Sache – vielleicht ist bei so vielen Gemeinsamkeiten ein Kampf gar nicht nötig? Psychologin und Trainerin Svenja Gimbel berichtet, wie die Zusammenarbeit einfacher gestaltet werden kann.

Statistisch gesehen sind über 60% aller Kinder und Jugendlichen in Sportvereinen aktiv, die pro Verein von ca. 10 Trainer:innen betreut werden. Mit dem Problem der Helikoptereltern ist also ein Großteil der Bevölkerung, wenn auch nicht begrifflich, dann zumindest im alltäglichen Kontakt vertraut.

Wenn die Helikopter um den Trainingsplatz kreisen

Viele haben bei dem Wort wohl das buchstäbliche Bild eines Helikopters vor Augen, welches drohend und zugleich beschützend über seinem Kind kreist. Für alle, die trotzdem nicht wissen, was das eigentlich ist, hier ein Beispiel:

Das nächste Fußballturnier des Vereins Sonnenschein findet im weiter entfernten Frankfurt statt. Damit die Kinder am Samstag und Sonntag nicht mehrere Stunden hin und her pendeln müssen, hat der Verein Sonnenschein eine Jugendherberge für die Mannschaft gebucht. Auf dem Elternabend in der Woche vor dem Turnier missfällt es Vater Rüdiger aber, dass sein Sohn Tobi mit mehreren Jungs in einem Zimmer schlafen muss und äußert das auch lautstark. Schließlich muss er aber einsehen, dass an der Zimmereinteilung nichts mehr zu machen ist. Er beschließt kurzerhand mit nach Frankfurt zu fahren und ruft während des gesamten Turniers von der Bank der Trainerin von Tobi zu, was sie alles falsch macht. Sein Sohn soll sich laut Vater Rüdiger nun auch nicht wie gewohnt mit seiner Mannschaft aufwärmen, sondern neben ihm, damit er kontrollieren kann, ob er alles richtig macht. 

Auch Dirk Wiggershaus kennt solche Beispiele. Er ist Leiter des Aufbaubereichs beim Fußball-Verein ASC Neuenheim in Heidelberg. Es komme nicht häufig vor, aber ab und zu spiegele sich beispielsweise auch der falsche Ehrgeiz der Eltern, eine selbst verpasste Karriere und übermäßiger Leistungsdruck bei den Kindern wider, berichtet der Jugendtrainer: „Wenn solche Beispiele den Spielbetrieb stören oder wenn ich bei dem betroffenen Kind Verhaltensauffälligkeiten beobachte, dann spreche ich das schon an.“ 

Helikoptereltern haben jedoch durchaus auch ihre positiven Seiten. Kinder dieser extrem besorgten Mütter oder Väter sind oft beruflich überdurchschnittlich erfolgreich und besitzen eine höhere Disziplin bzw. Ehrgeiz. Allerdings sind die Kinder oftmals auch weniger sozial kompetent, haben Probleme mit ihrer Bedürfnisäußerung, zeigen weniger Eigeninitiative, können manchmal ihr Begabungsprofil nicht ausnutzen und zeigen eine schlechtere Emotions- und Selbstkontrolle, zum Beispiel auch, wenn sie mal ein Spiel verlieren. „Die betroffenen Kinder können sich persönlich manchmal gar nicht richtig entfalten“, bestätigt Wiggershaus. „Das versuche ich den Eltern auch klarzumachen, aber es ist schon ein sehr sensibles Thema.“

Workshop für Trainer:innen

Wie man als Trainier:in solchen Eltern entgegen treten kann und sich als Elternteil auch selbst dazu erziehen kann, das erklärt Svenja Gimbel, die ihren Psychologie-Master an der SRH Hochschule Heidelberg absolviert hat und nun als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Angewandte Psychologie arbeitet – seit zwei Jahren ist sie darüber hinaus als freiberufliche Referentin für den Sportbund Pfalz tätig und leitet als Leistungssporttrainerin Schwimmer:innen in Neustadt an.

Mit ihrem psychologischem Hintergrund und ihrer praktischen Erfahrung im Leistungssport gab sie kürzlich im Workshop „Sicherer Umgang mit Helikoptereltern“ wertvolle Tipps. Wie ticken Helikoptereltern und warum machen sie einem das Leben so schwer? Klar ist: Helikoptereltern haben nicht die Absicht, den Trainer:innen das Leben schwer zu machen. Sie handeln oftmals aus Sorge um ihr Kind – macht der Trainer überhaupt alles richtig? Beachtet er oder sie mein Kind genug? Um diesen Sorgen entgegenzuwirken, brauchen Trainer:innen zunächst eines: einen großen Vertrauensvorschuss. An den kann man als Trainer:in dann anknüpfen, um die Zusammenarbeit mit den Eltern weiter zu verbessern. Svenja Gimbel fasst es in einem Satz zusammen: „Es geht also darum, die Eltern mitwirken zu lassen und gleichzeitig Grenzen aufzuzeigen.“

Aufklärung und Kommunikation

Doch wie lasse ich als Trainer:in die Eltern mitwirken und teilhaben, ohne dass sie sich zu viel einmischen? Die Stichworte sind hier: Aufklärung und Kommunikation. Trainer:innen können präventiv durch regelmäßige Elternabende mit diesen in Kontakt treten. Hier können sie ihre Sorgen, Ängste und Bedürfnisse direkt äußern. Und was spricht eigentlich gegen einen Infoabend zum Thema Sportwissen: Ernährung, Technik, Didaktik… Es gibt mit Sicherheit viel zu berichten, sodass sich die Eltern informiert und sicher fühlen. 

Die Kinder Kinder sein lassen

Aber auch Eltern können sich ihre Rolle bewusst machen. „Im Leistungssport sind Eltern dafür da zu unterstützen. Zu sagen ˋIch hab dich lieb´ und zu trösten, wenn es mal nicht geklappt hat. Das Training sollten sie allerdings dem Trainer oder der Trainerin überlassen, das ist nicht ihre Aufgabe“, so Gimbel. Eltern nehmen die Rolle der Vorbilder, des Interpreten und vor allem der Unterstützer im Sport ihrer Kinder ein. Trainer 2.0 sind also unerwünscht, wie sollen Kinder auch lernen, wenn sie von zwei Seiten trainiert werden?  Dabei geht es auch gar nicht immer um Lernfortschritte

Ergebnisse. Laut einer Studie der George Washington University treiben neun von zehn Kindern Sport, einfach, weil es ihnen Spaß macht. Gimbel fordert: „Lasst uns die Motivation erhalten und Kinder Kinder sein, auch im Sport.“

Madeleine Krehahn studiert Psychologie an unserer Hochschule und schreibt für diesen Blog.
Madeleine Krehahn studiert Psychologie an unserer Hochschule und schreibt für diesen Blog.
Portraitfoto Svenja Gimbel
Svenja Gimbel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Angewandte Psychologie, zudem aber auch freiberufliche Referentin für den Sportbund Pfalz und Leistungssporttrainerin für Schwimmer:innen.

Zum Begriff Helikoptereltern

2014 formulierten Esdar und Wild erstmals vier Kriterien: Überinvolviertheit, Autonomie-einschränkendes Verhalten, Überbehütung und Externale Schuldzuweisung der Eltern. Es geht also um ein überdurchschnittliches Maß an Unterstützung, welches mit einer großen Einschränkung und Verantwortungsdiffusion einhergeht.