SRH Hochschule Heidelberg

Forschungsprojekt CogniCovid19

Im Forschungsprojekt CogniCovid19 hat die Fakultät für Angewandte Psychologie der SRH Hochschule Heidelberg erstmalig die kognitive Leistungsfähigkeit infolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 untersucht.

Presseinformation zu den Studienergebnissen veröffentlicht

Studie findet Hinweise auf Ursache der kognitiven Beeinträchtigungen nach einer Corona-Infektion

Forscher:innen der SRH Hochschule Heidelberg zeigen in ihrer Studie „CogniCovid19“ erstmals auf, welcher Mechanismus hinter den kognitiven Beeinträchtigungen einer Covid-Erkrankung stecken könnte. Das Studienergebnis weist damit auch den Weg zu neuen Therapiemöglichkeiten.

Wahrscheinlich können Sie sich ohne große Mühe daran erinnern, auf welchem Parkplatz Sie Ihr Auto heute früh geparkt haben. Aber wenn Sie jeden Tag denselben belebten Parkplatz benutzen, können Sie sich dann erinnern, in welcher Parklücke genau Sie Ihr Auto heute abgestellt haben? Oder gestern? Oder am Tag davor? Den meisten Menschen fällt dies nicht deshalb schwer, weil sie sich grundsätzlich nicht daran erinnern können, was vor zwei oder drei Tagen passiert ist, sondern weil sie zwischen sehr ähnlichen Erinnerungen unterscheiden müssen.

Die Fähigkeit, zwischen Erinnerungen an ähnliche Ereignisse zu unterscheiden, hängt von einer Gehirnregion namens Hippocampus ab. Eine Teilstruktur des Hippocampus, der so genannte Gyrus dentatus, erzeugt unterschiedliche Aktivitätsmuster als Reaktion auf Ereignisse, die zwar sehr ähnlich, aber dennoch nicht identisch sind. Dieser Prozess wird als Mustertrennung bezeichnet und trägt dazu bei, dass Sie Ihr Auto nicht in der Parklücke von gestern suchen.

Genau diese Fähigkeit kann nach einer Covid-Erkrankung signifikant beeinträchtigt sein, stellten Prof. Dr. Patric Meyer und Dr. Ann-Kathrin Zaiser fest, die an der Fakultät für Angewandte Psychologie der SRH Hochschule Heidelberg Neurokognitive Psychologie lehren.

Gedächtnisprobleme werden neben Müdigkeit, Antrieblosigkeit, Nebel im Kopf, und Konzentrationsproblemen mit am häufigsten als Symptom nach einer Corona-Infektion genannt. Warum kommt es zu diesen Problemen und wie zeigen diese sich ganz spezifisch? Das untersuchte das Forschungsteam der SRH Hochschule Heidelberg, unterstützt von seinen Studierenden, an rund 1.500 Personen im Zeitraum von Juli 2021 bis Juli 2022. Zum Zeitpunkt der Teilnahme hatten 910 von ihnen bereits einen positiven PCR-Test (zwischen Infektion und Untersuchungszeitpunkt lagen zwischen 0 und 29 Monate), über 500 waren bislang nicht nachweislich mit Corona infiziert. In einer Online-Studie absolvierten die Proband:innen über die Dauer von etwa einer Stunde eine ganze Batterie von kognitiven Aufgaben.

Nicht nur Lernen und Gedächtnis werden mit dem Hippocampus in Verbindung gebracht, sondern auch Stress- und Emotionsregulation – allesamt Faktoren, die nach einer Covid-Infektion, aber auch bei anderen Stress-relatierten Krankheitsbildern wie etwa einer Depression häufig verändert sind. „Aus diesem Grund haben wir die Hypothese aufgestellt, dass die Infektion einem ähnlichen Mechanismus wie andere Stress-relatierte Erkrankungen unterliegt, nämlich einem entzündlichen Prozess“, erklärt Prof. Dr. Patric Meyer. Hierfür gibt es mittlerweile auch Belege in der Literatur. Der Hippocampus ist auch insofern einzigartig, als er eine der Nischen im menschlichen Gehirn darstellt, in denen Neurogenese stattfindet, die Bildung neuer Nervenzellen. „Das Virus gelangt ins Blut und dadurch ins Gehirn. Die durch die überschießende Immunreaktion zuweilen ausgelöste Entzündung sorgt für eine reduzierte Nervenzellneubildung im Hippocampus.“ „Unsere Daten deuten darauf hin, dass genau diese reduzierte Nervenzellneubildung eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der kognitiven und affektiven Beeinträchtigungen nach einer Corona-Infektion spielen könnte“, erläutert Dr. Ann-Kathrin Zaiser. Dabei sind junge Menschen genauso betroffen wie ältere.

„Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit nach einer Corona-Infektion wurden bislang nur unzureichend untersucht. Aus diesem Studienergebnis erschließen sich neue Möglichkeiten der Behandlung von Long-Covid“, hofft Prof. Meyer. Dr. Zaiser ergänzt: „Wenn wir den Prozess der Neurogenese beispielsweise durch bestimmte Medikamente, moderaten Sport, kognitive Aufgaben oder gesunde Ernährung wieder ankurbeln, können die Betroffenen ihre kognitive Leistungsfähigkeit sehr wahrscheinlich auch wieder verbessern.“

Erst kürzlich hat die SRH Hochschule Heidelberg eine weitere Studie zu Covid19 gestartet: Im Projekt „MiLoCoDaS“ erprobt die Psychologie-Professorin Dr. Nadia Sosnowsky-Waschek digitale Möglichkeiten, die das Wohlbefinden bei Long-Covid verbessern sollen (zur Pressemitteilung). Auch kognitive Aufgaben sind Teil der Online-Plattform.

Die detaillierten Ergebnisse der Studie „CogniCovid19“ sollen in einem wissenschaftlichen Artikel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Projektteam

Prof. Dr. Patric Meyer; Dr. Ann-Kathrin Zaiser

Portraitfoto Patric Meyer
Prof. Dr. Patric Meyer

Professor für Allgemeine und Neurokognitive Psychologie an der SRH Hochschule Heidelberg

Portraitfoto Ann-Kathrin Zaiser
Dr. Ann-Kathrin Zaiser

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leitung experimentalpsychologisches Labor an der SRH Hochschule Heidelberg

Heidelberg, Fakultät für Angewandte Psychologie