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Leben

Corona contra geben! Tipp #19: Corona-Weihnachten 2.0

Weihnachten im Corona-Frust? Wie Sie damit umgehen können und verhindern, selbst allzu missmutig zu werden, erfahren Sie von Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer und Dr. Alexandra Edinger von der Heidelberger Akademie für Psychotherapie.

Wir stehen kurz vor unserem 2. Weihnachtsfest unter Corona-Bedingungen. Wo letztes Jahr noch die Angst vorherrschte, macht sich nun Frust breit. Erneut treibt uns die Unsicherheit um, wie die Feiertage aussehen werden. Kein Wunder also, dass selbst der positivste Sonnenschein zum Grinch mutiert. Wie Sie damit umgehen können und verhindern, selbst allzu missmutig zu werden, erfahren Sie von Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer und Dr. Alexandra Edinger von der Heidelberger Akademie für Psychotherapie.

1 - Rituale

Tatsächlich geht es nicht nur um das Weihnachtsfest an sich, sondern um viel mehr: Sicherheit. Wir Menschen brauchen Traditionen. Weihnachten stellt in vielen Haushalten ein sich jährlich wiederholendes Ritual dar. Die Feiertage verlaufen oft sehr ähnlich, vielleicht gibt es sogar traditionell jedes Jahr das gleiche Essen. Wir sehen dieselben Menschen und streiten uns über die immergleichen Themen – herrlich! Selbst am Ende der Feiertage eint uns die Erleichterung darüber, dass man die Familie nun nicht mehr geballt sehen muss. Und trotzdem freuen wir uns insgeheim schon auf das nächste Weihnachten, da solche Rituale Ankerpunkte in unserem wechselhaften Alltag mit all seinen unvorhersehbaren Vorkommnissen darstellen.

Überlegen Sie also, wie sie andere Ankerpunkte in Form von ganz neuen Ritualen schaffen können. Vielleicht ein kleiner Weihnachtsmarkt im Garten mit der engsten Familie? Ein Weihnachtsbrunch statt dem opulenten Dinner? Oder Weihnachtspostkarten, die Sie ab jetzt jedes Jahr an liebe Menschen versenden. Schaffen Sie sich aktiv neue Rituale. So müssen Sie nicht darauf warten, was kurz vor Weihnachten beschlossen wird.

2 - Außer Kontrolle

Ein weiterer Aspekt, welcher mit dem Thema Rituale Hand in Hand geht, lautet Kontrolle. Die Corona-Pandemie stellt nach wie vor einen gesamtgesellschaftlichen Kontrollverlust dar. Das führt initial zu Angst und in einem zweiten Schritt zu Wut. Wut über die Ohnmacht, in der wir uns befinden. Je länger die Umstände so bleiben, desto mehr verwandelt sich die Angst zu Wut.

Schaffen Sie sich Bereiche, in welchen Sie Kontrolle ausüben können. Stellen Sie sich also die Frage: Was kann ich beeinflussen? Sie haben aktuell einfach keinen Einfluss darauf, ob Weihnachtsmärkte, Restaurants oder andere Freizeiteinrichtungen geöffnet bleiben oder nicht. Sie können aber Ihr Zuhause beeinflussen! Sie vermissen die schöne Weihnachtsdekoration in der Stadt, da Sie sich schon wieder im Home Office befinden? Dann toben Sie sich dieses Jahr doch mal so richtige mit der Deko zu Hause aus! Der Weihnachtsmarkt ist geschlossen? Kein Problem, einen Glühwein und Bratwurst bekommen Sie auch im heimischen Garten, vielleicht kommen die Nachbarn noch dazu? Klar, das alles stellt natürlich keinen Ersatz zu dem dar, was wir kennen und gewohnt sind. So sollten wir aber auch nicht denken. Es geht darum, Neues zu schaffen und hierüber ein Gefühl der Kontrolle zurück zu gewinnen. Und wer weiß? Vielleicht avanciert der ein oder andere Corona-Kompromiss ja noch zu einer liebgewonnen, neuen Tradition!

3 - Die Wut

Wir merken es selbst, die Angst weicht der Wut. Wir sind mittlerweile zwar pandemieerfahren aber nicht was den Verlauf einer Pandemie betrifft. So kollidiert die Mentalität „Einmal Augen zu und durch, Zähne zusammenbeißen und dann wird schon wieder alles gut“ mit der Realität. In der Pandemie reicht es leider nicht aus, sich über einen bestimmten Zeitraum anzustrengen, Opfer zu erbringen, um dann wieder in eine Normalität zurückzukehren, in der alles wieder beim Alten ist. Der wahre Stresstest besteht mittlerweile also in dem Auf und Ab der Pandemie, der Wechsel zwischen Besserung und Hoffnung und Rückschritten, die einen in die Verzweiflung treiben können. Daher: verfolgen Sie nicht akribisch jede kleine Veränderung in den Medien. Die Informationsflut ist mittlerweile derart überfordernd, die Ereignisse überschlagen sich und es fällt schwer, den Überblick zu behalten. Informieren Sie sich daher in einem gesunden Ausmaß.

Bleiben Sie auf dem Laufenden, aber hängen Sie Ihre Hoffnung nicht an das leichte Absinken der Inzidenzzahlen in Ihrem Landkreis. Sonst sind Sie einem erneuten Anstieg am Boden zerstört. Ihre Gefühlswelt sollte das Auf und Ab des Pandemieverlaufs nicht parallel mitmachen. Lösen Sie sich hiervon und gewinnen emotionalen Abstand. Radikale Akzeptanz dessen, was einfach nicht zu ändern ist, ist dabei hilfreich. Konzentrieren Sie sich lieber auf andere Bereiche Ihres Lebens, die auch noch stattfinden. Vielleicht richten Sie gerade Ihre neue Wohnung ein, haben ein interessantes Projekt bei der Arbeit oder gar eine neue Stelle? Vielleicht sind Sie frisch verliebt. Weiten Sie den Blick!

4 - Machen Sie sich klar, was Ihnen wichtig ist

Weihnachten ist ein großes Wort und stellt erst einmal einen Überbegriff dar. Versuchen Sie aufzudröseln, was Weihnachten für Sie bedeutet, welche konkreten Ereignisse passieren müssen und überlegen dann, wie Sie diese umsetzen können. Ein Beispiel: für manche ist das Essen sehr zentral an Weihnachten oder das Singen von Weihnachtsliedern. Versuchen Sie herauszufinden, was für Sie unverzichtbar ist. Stellen Sie diese Frage auch Ihren Kindern oder anderen Familienmitgliedern. Denn gerade für Kinder ist Weihnachten ebenfalls mit ganz besonderen Vorstellungen verknüpft. Sobald sich herauskristallisiert hat, was für Ihre Familie Weihnachten konkret bedeutet, sind Sie in der Lage an der Umsetzung der einzelnen Komponenten zu arbeiten. Somit können größere Enttäuschungen vermieden werden.

5 - Streit unterm Weihnachtsbaum

Wir haben es gelesen: das Aggressionspotenzial ist ohnehin schon erhöht und Weihnachten steht vor der Tür. Nicht nur die Zeit der Harmonie, sondern auch des Streits. Wo vor zwei Jahren noch über politische, religiöse Themen oder einfach nur den Benzinpreis geschimpft wurde, gibt es jetzt ein ganz neues Thema: Corona. Vereinbaren Sie vorab vielleicht, dies als Tabuthema zu behandeln. Nach knapp zwei Jahren dürften alle Argumente, Ansichten und Meinungen ausgetauscht sein. Ergo: es gibt nichts mehr Konstruktives beizutragen. Das Thema ist ohnehin so omnipräsent, dass Sie es nicht auch noch unter den Weihnachtsbaum lassen sollten. Jemand hält sich nicht daran und spricht das Thema immer wieder an? Dann hilft nur noch, den Abwasch in der Küche anzugehen oder das 10.000 Teile Puzzle mit Ihrem Neffen zu beginnen – tja, Pech! Sie entscheiden über das kleinere Übel.

6 - Sehen Sie die Chance

Sie teilen sich mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin an Weihnachten immer auf? Oder die komplette Verwandtschaft fällt zwei Tage lang bei Ihnen ein? Stop! Nutzen Sie die besonderen Umstände als Zäsur, um die bisherigen, vielleicht zur Belastung gewordenen, Rituale aufzubrechen. Sie wollten schon lange Heiligabend zu zweit verbringen oder nur noch einen Weihnachtsfeiertag für die Familie ausrichten? Dann ist jetzt Ihre Chance gekommen, den Trott zu durchbrechen. Die neuen Rituale, die jetzt gebildet werden, können die Corona-Situation überleben. Wichtig: sprechen Sie sich gut mit dem Partner oder der Partnerin bzw. Ihrer Familie ab: Was wollen Sie? Nur wenn diesbezüglich Harmonie besteht, können Sie geschlossen nach außen auftreten.

Schauen Sie also, was Sie ändern möchten und tun es unter dem Corona-Deckmantel. Warum sollte die schwierige Situation nicht auch für etwas gut sein?

In diesem Sinne frohe Weihnachten und einen guten Start ins Jahr 2022!

Hier geht es zu den bisher erschienenen Tipps der Reihe "Corona contra geben":

Portraifoto Helena Dimou-Diringer
Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer

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