SRH Hochschule Heidelberg
Menschen

Neue Perspektiven an der Infotheke

Endlich ist die Infotheke in der LGS6 wieder besetzt: Klaus Heinzelmann freut sich sehr, an seinen Stammplatz im Foyer zurückzukehren und den Studierenden und auch mal den Mitarbeitenden zu helfen.

Hilfe annehmen dagegen ist für Klaus Heinzelmann, der sich seit fünf Jahren überwiegend im Rollstuhl vorwärtsbewegt, ein Stückchen schwieriger. Im Gespräch mit ihm entdecke ich viele neue Perspektiven.

Wie und wann kann ich mein Abizeugnis nachreichen? Wo finde ich die Telefonnummer von XY? Hilfe, ich brauche ein neues Passwort für meinen E-Mail-Account! Post verteilen, das Telefon annehmen, Mails beantworten, „live“ für Fragen zur Verfügung stehen – unser Kollege Klaus Heinzelmann hat einen abwechslungsreichen Job als „Chef“ der Infotheke. „Es ist immer amüsant, was da so kommt“, schmunzelt er, als ich mich mit ihm zum Interview an der Infotheke treffe. „Da ruft mich schon mal ein Arzt an und schlägt sofort mit Namen und Krankengeschichte eines Patienten um sich – ich kann ihn kaum bremsen. Oder jemand möchte einen Termin in der Gynäkologie bei mir ausmachen. Ich hatte auch schon mal einen Anruf eines Kurpfälzers, der ohne Namensmeldung, `Guten Tag´ und `Bitte´ loslegt: `Gewwesemiremol de Dokter wegge dem Termin am Dunnersdaach!´“

Der Anlass für unser Gespräch, sein alter Platz an der neuen Infotheke, führt uns schnell in ganz andere Themenwelten: Er hilft gerne anderen Leuten, kommuniziert offen und freundlich mit ihnen. Auch wenn er sich selbst zu helfen weiß, ist er manchmal jedoch ebenfalls auf Hilfe angewiesen: Aufgrund einer chronischen Erkrankung sitzt Klaus Heinzelmann im Rollstuhl. „Es kam von heute auf morgen: Artikulationsprobleme, Schluckbeschwerden, und kurz danach kam Anfang 2017 die Diagnose Multiple Sklerose“, erzählt der 52-Jährige.

„Natürlich will man nach so einer Diagnose so normal weiter machen wie bisher. Aber man stößt halt immer wieder an seine Grenzen.“ Dank seiner Medikamente – er muss täglich vier Tabletten schlucken – geht es Klaus auch recht gut. „Golden geht es mir eigentlich, wenn ich mich an meine Zivi-Zeit erinnere, in der ich eine schwerbehinderte Frau betreut habe, die nicht richtig sprechen konnte. Das war eine harte Nummer gegen meine“, äußert er sich leichthin. „Ich brauche wenig Hilfe, musste aber schon umdenken und mir auch mal helfen lassen.“

Doch in jeder Lebenswende steckt auch etwas Positives. So hat er bei der Umschulung vom Koch und Mitarbeiter des Heidelberger Ordnungsamtes zum kaufmännischen Angestellten im Berufsförderungswerk der SRH seine Lebenspartnerin Iris Brunnemann kennen gelernt, die heute als seine Kollegin im Studierendenservice der SRH Hochschule Heidelberg arbeitet. Schon in ihrer Jugend, so stellten sie bei der Umschulung in Heidelberg erst fest, haben sie in Süddeutschland nur 30 km voneinander entfernt, sind in die gleichen Kneipen gegangen und haben sich nun jedoch erst kennen gelernt.

Seit drei Jahren ist Klaus nun als Studierendenbetreuer im Einsatz an der SRH Hochschule Heidelberg. Gefragt nach den Hürden, die ihm hier im Wege stehen, muss er lange überlegen. Ja, die ein oder andere Tür lasse sich schwer öffnen. „Und du hockst halt auf der Hälfte deines Gegenübers“, berichtet Klaus schulterzuckend. So wird auch seine Kollegin, die neben ihm steht, mal eher angesprochen als er im Sitzen. „Aber eigentlich fühle ich mich sehr wohl hier und sehe keine Hürden. Ich habe halt auch gelernt, das Gute zu sehen. Was nützt mir das Jammern und Meckern – ich habe einfach eine andere Perspektive auf die Dinge, die wirklich wichtig sind.“ Er erlebe hier sehr viel Rücksichtsname. „Manchmal könnte der eine oder die andere ein bisschen aufmerksam sein, aber ich spreche die Leute dann auch mal direkt an.“

In anderen Kulturen, so berichtet Klaus, sei Hilfe und Aufmerksamkeit ganz anders verankert. „Mir ist es schon mehrfach passiert, dass mir Kinder oder auf den ersten Blick prollig aussehende Jugendliche mit Migrationshintergrund Hilfe angeboten haben. Sie kommen sehr frei auf mich zu, fragen, ob sie mir beim Einkaufen helfen dürfen oder die Kette an meinem Handbike wieder richten sollen, die mir gerade abgeschmiert ist.“ Viele Leute handeln sehr unbewusst und sind einfach bequem, stellt Klaus Heinzelmann fest. „Früher dachte ich auch: Was soll ich mit jemandem Mittagessen gehen, der eine Behinderung hat. Nachher braucht der noch etwas und ich muss mich kümmern“, schüttelt Klaus Heinzelmann den Kopf, und ich merke auch: Es geht ja nicht darum, was der andere braucht, sondern was uns das Gespräch miteinander, der Austausch mit anderen Perspektiven bringt. „Ein Mensch mit einer Behinderung entschleunigt schließlich auch die Gesellschaft“, sagt Klaus Heinzelmann. Nachdenklich – und ein wenig langsamer – gehe ich zurück in meinen Alltag.

Klaus Heinzelmann sitzt an der Infotheke in der SRH Hochschule Heidelberg und weist allen den Weg.
Klaus Heinzelmann sitzt wieder an seinem Stammplatz im Foyer und hilft in allen möglichen Lebenslagen.