SRH Hochschule Heidelberg
Leben

„Schon ein Küsschen kann die Grenze überschreiten“ – sexuelle Belästigung kann schon mit einem unguten Gefühl beginnen

Anlässlich des fünften Jahrestages des Hashtags MeToo sprechen wir heute mit unseren Beauftragten bei Fällen von sexueller Belästigung, Brigitte Braun und Alexander Koob.

Es kann jeden Tag passieren, in jedem Umfeld, in jeder Funktion: Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz schaden den Mitarbeitenden und dem gesamten Betriebsklima. Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat in den letzten drei Jahren jede elfte Person sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Die SRH Hochschule Heidelberg setzt sich aktiv dafür ein, ihre Beschäftigten im Arbeitsumfeld, aber auch die Studierenden davor zu schützen und bietet mit den Ansprechpartner:innen bei Fällen von sexueller Belästigung eine zentrale Anlaufstelle: Brigitte Braun und Alexander Koob stehen jederzeit für Fragen, Sorgen und Probleme in dieser Hinsicht zur Verfügung, selbstverständlich anonym und vorurteilsfrei. Im Interview erzählen sie, warum ihnen dieses Thema am Herzen liegt und sie sich dafür einsetzen.

Wo fängt sexuelle Belästigung denn eigentlich an?

Jede:r hat ihre:seine eigene Grenze, die eigene Wohlfühloase. Man kann deshalb gar nicht sagen, wo es anfängt. Man muss die Grenzen akzeptieren, auch, dass nicht jede:r darüber sprechen möchte. Schon das Küsschen zur Begrüßung kann zu viel sein. Wenn man in der Situation ist, dann ist es schwierig direkt zu reagieren. Auch hier können wir gemeinsam überlegen, wie man beim nächsten Mal reagieren oder das Thema ansprechen kann. Bei den Studierenden fallen bei Partys zuweilen unter Alkoholkonsum die Hemmschwellen. „Sei nicht so zimperlich, du hast doch den kurzen Rock an“, heißt es dann beispielsweise. Selbstbewusstsein ist aber natürlich keine Einladung! Es kann aber auch mal der dreckige Witz sein, der die Grenze überschreitet.

Sexuelle Belästigung kann jedem widerfahren. Unabhängig vom Geschlecht oder sexueller Orientierung. Genau deshalb ist das Team divers aufgestellt.  

Warum war es euch wichtig, diese Stelle als Beauftragte bei sexueller Belästigung zu übernehmen?

Brigitte Braun: Auch ich habe in meinem langjährigen Berufsleben auch schon sexuelle Belästigung erfahren, konnte mich aber wehren. Nicht jede:r traut sich das. Uns ist es wichtig, dass es hier eine neutrale Anlaufstelle gibt, an der die Leute im geschützten Raum reden können. Denn es ist uns bewusst, dass das Thema auch an unserer Hochschule präsent ist. Zuvor lag das Thema in den Fakultäten, seit 2019 bündeln wir das Thema und können auch besser für Konsequenzen sorgen.  Schon bei einer kleinen Unsicherheit sind wir auf Augenhöhe ansprechbar. Natürlich beschäftigen uns die Themen dann auch, wir nehmen immer wieder etwas davon mit nach Hause. Auch in meiner Schulung zu diesem Thema sind wir darauf eingegangen und haben gelernt, damit umzugehen. Und da wir zu zweit sind, können wir uns darüber dann miteinander austauschen.

Alex Koob: Wir haben eine große Bandbreite an internen und externen Beratungsstellen. Von Telefonhotlines bis hin zur Polizei können wir individuell helfen. Je nach Problem können wir an fachkundige Stellen weiterleiten, damit jede:r die Betreuung bekommt, die sie:er benötigt. Wir als Ansprechpartner bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sind leider keine psychologische Beratung.

Aber wir sind da – damit sich unsere Kolleg:innen und unsere Studierenden öffnen können und wir gemeinsam überlegen, was wir tun können. Wir suchen dabei immer das Gespräch mit beiden Parteien. Sowohl mit dem oder der Betroffenen als auch mit der oder dem Beschuldigten. Wir fragen immer, ob wir Gesprächsnotizen machen dürfen, oder wir erstellen ein Gedächtnisprotokoll, damit wir auch später noch den Fall für uns rekapitulieren können. So begleiten wir den gesamten Prozess und bleiben ständig in Kontakt mit den Betroffen. Denn häufig haben Fälle von sexueller Belästigung auch psychosomatische Auswirkungen, die sich langfristig noch zeigen. So wollen und können wir hoffentlich auch helfen, auf gleicher Ebene, ohne Hürden. Das ist uns wichtig.

Wie häufig bekommt ihr Anfragen zu Fällen von sexueller Belästigung bei uns auf dem Campus?

Vor Corona waren es vier bis fünf Fälle im Jahr, dann ging die Fallzahl natürlich rapide runter. So langsam geht es nun leider wieder los. Auch in der Praxisphase beklagen sich die Studierenden über solche Fälle in ihrem Unternehmen, in dem sie Praktikum machen. Auch dafür sind wir da.

Was kann jede:r einzelne tun, um diesem Thema an unserer Hochschule Einhalt zu gebieten?                                                                                                  

Wichtig ist, das Thema niemals als Lappalie abzutun! Man sollte bei einem unguten Gefühl immer jemanden suchen, dem man vertraut. Auch das kostet Mut, das ist uns klar. Jede:r sollte die Augen und Ohren offen halten und sensibel sein und darauf achten, wo die Grenzen der Kolleg:innen oder Kommiliton:innen sind.

Hilfreiche Links: 

Öffentlichkeitskampagne „Stärker als Gewalt am Arbeitsplatz – Kein Platz für Sexismus und sexuelle Belästigung“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt konkrete Handlungsmöglichkeiten für Betroffene auf. Hier geht's zum Flyer: Grenzen setzen – Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Beratungsteam der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Portraifoto Brigitte Braun
Brigitte Braun

Ansprechpartnerin bei Fällen von sexueller Belästigung

Portraitfoto Alexander Koob
Alexander Koob

Ansprechpartner bei Fällen von sexueller Belästigung